Porträts
Die Menschen stolpern nicht über Berge, sondern über
Maulwurfshügel.
Eigentlich keine Textform für einen, der der Personalisierung politischer Vorgänge zutiefst misstraut: das Porträt. Wer liest, was Karl Grobe über Sukarno und Gorbatschow, über Nasser, Mao und Enver Hoxha, über Herbert Wehner und Martin Niemöller geschrieben hat, wird sehen, dass es auch für diesen Widerspruch eine Lösung gibt. Grobes Porträts verbinden die hervorgehobene Person, ohne ihre Bedeutung zu unterschätzen, mit dem gesellschaftlichen Boden, auf dem sie steht.
"Dam Pathos der Größe entsprachen weder wirtschaftliche noch gesellschaftliche Verhältnisse", schrieb Karl Grobe 1970 zum Tod des indonesischen Staatsgründers Sukarno. Dieser Blick, der die Verhältnisse nie aus den Augen verliert, macht seine Porträts zu kleinen Lehrstücken der Weltgeschichte.
- Sukarno: Leitfossil des asiatischen Nationalismus (Nachruf vom 22. Juni 1970)
1949 bis 1967 Staatspräsident Indonesiens (von 1963 an auf Lebenszeit), seit 1959 zugleich Ministerpräsident;
geboren am 6. Juni 1901 in Surabaya, gestorben am 21. Juni 1970 in Jakarta.
- Gamal Abdel Nasser: ein Mann zwischen Vision und Wirklichkeit (Nachruf vom 30. September 1970)
1954 bis 1970 Staatspräsident Ägyptens;
geboren am 15. Januar in 1918 Beni Mor (Assiut), gestorben am 28. September 1970 in Kairo.
- Herbert Wehner: Abschied von der Kommandobrücke (Porträt vom 17. März 1973)
1958 bis 1973 Stellvertretender Vorsitzender der SPD;
geboren am 11. Juli 1906 in Dresden, gestorben am 19. Januar 1990 in Bonn.
- Tschou En-lai: Er schrieb ein wesentliches Kapitel der Zeitgeschichte (Nachruf vom 10. Januar 1976)
1949 bis 1976 Ministerpräsident (Vorsitzender des Staatsrates) der Volksrepublik China, bis 1958 zugleich Außenminister;
geboren 1898 in Huaian (Provinz Jiangsu), gestorben 8. Januar 1976 in Peking.
- Mao Tse-tung: die historische Ausnahme aus Schaoschan (Nachruf vom 10. September 1976)
1945 bis 1976 Vorsitzender des Zentralkomitees Chinas, 1949 bis 1959 Vorsitzender der Zentralen Volksregierung;
geboren am 26. Dezember 1893 in Shaoshan (Provinz Hunan), gestorben am 9. September 1976 Peking.
- Martin Niemöller: ein Mensch Gottes mit seinem Widerspruch (Nachruf vom 8. März 1984)
deutscher evangelischer Theologe, 1957 bis 1984 Präsident der Deutschen Friedensgesellschaft;
geboren am 14. Januar 1892 in Lippstadt, gestorben am 6. März 1984 in Wiesbaden.
- Enver Hoxha: der "konsequenteste Marxist" (Nachruf vom 12. April 1984)
1943 bis 1984 Generalsekretär (seit 1954: Erster Sekretär) der Kommunistischen Partei (seit 1948: Partei der Arbeit) Albaniens; 1944 bzw. 1946 bis 1954 zugleich Regierungschef der Volksrepublik Albanien, auch Verteidigungs- und Außenminister (bis 1953);
geboren am 16. Oktober 1908 in Gjirokastër, gestorben am 11. April 1985 in Tirana.
- Michail Sergejewitsch Gorbatschow: Mann mit Charme (Porträt vom 12. März 1985)
1985 bis 1991 Generalsekretär des ZK der KPdSU;
geboren am 2. März 1931.
- Erich Honecker: Mann des Apparats, der den Staat mit sich riss (Nachruf vom 30. Mai 1994)
1976 bis 1989 Vorsitzender des Staatsrats der DDR;
geboren am 25. August 1912 in Wiebelskirchen (Saar), gestorben am 29. Mai 1994 in Santiago de Chile.
- Kim Il-Sung: allwissend - selbst als Hühnerzüchter (Nachruf vom 11. Juli 1994)
1948 bis 1972 Ministerpräsident, 1972 bis 1994 Staatspräsident von Nordkorea;
geborem am 15. April 1912 in Mangyongdae bei P’yongyang, gestorben am 8. Juli 1994 in P’yongyang.
- Moammar el-Ghaddafi: der Revolutionär, der in der Wüste blieb (Porträt vom 30. August 1994)
1969 bis 1979 unter wechselnden Bezeichnungen Staatschef Lybiens, bleibt als Führer der Revolution Machthaber;
geboren 1942 in Misurata.