Buten un binnen

Von Astrid Hölscher
Bremen ist in Gefahr. Wonach nicklige Nachbarn schon lange niedertrachten, einfach eingemeinden diesen Wurmfortsatz niedersächsischer Weitläufigkeit, das droht jetzt als Virus überzugreifen an ferne Main-Gestade. Wer wacht noch über den Status der "wohl ältesten noch unabhängig bestehenden Stadtrepublik", wenn Carolus bremensis nicht länger täglich den Hannoveraner Übergriffen zu wehren vermag? Was hilft es, dass der steinerne Roland - vryheit do ik ju openbar - weiter von Freiheit kündet, wenn die Bedeutung Bremens für die Welt künftig FR-Lesern verborgen bleibt? Wenn niemand mehr (etwa in einem Wörterbuch zur Zigarre anlässlich Fidel Castros 75.) Heimatverbundenheit im Nebensatz beweist - "die echte Brasil, in Bremen auch: Bramsil".

Buten un binnen, Weltgeneigtheit des Stadtstädters. Ut siene Pöksen-Tid (für Nicht-Bremer: aus der Phase des Heranwachsenden) wissen wir, dass Carolus prae-magnus durch irgendwelche Löcher im Zaun auf die Werder-Stehplätze drängte. Um dort nicht allein Edu Hundt, Pico Schütz oder Willem Preuße zu erleben, sondern auch jenen "baumlangen Ghanaer", der Heim-Niederlagen echt weltläufig zu kommentieren pflegte: "Dat wer wedder mol’n Schiet-Späl, nöch?"

Gar nicht mal so schlecht als Einstimmung auf eine berufliche Laufbahn, die buten un binnen zur Lebensaufgabe erhebt, Fernes und Nahes zusammenbringt, Dietzenbach und Nicaragua, Bremerhaven und China. FR-Leser wissen etwas mehr: zum Beispiel, dass Kaiser Wilhelm II. sein Expeditions-Corps zur Niederschlagung des so genannten Boxeraufstands am 27. Juli 1900 in Bremerhaven verabschiedete. Oder dass Apo und Friedensbewegung eigentlich im Herbst 1954 von einem Bremer Gymnasium ausgingen. Frage eines die Schule besuchenden Abgeordneten an den antimilitaristisch vorbelasteten Primaner: "Sind Sie etwa Kommunist?" Replik: "Sie etwa immer noch Nazi?" Früh zeigt sich, was ein Leitartikler werden sollte. Und spät folgt die Einsicht aller Nicht-Bremer, der Nachbarn in Sonderheit.

Nu do ik ju openbar, also geloben wir in feierlicher Missachtung niedersächsischer Erdverbundenheit, dass wir fortan Bremen lieben und ehren und niemals an seiner Selbstständigkeit rühren werden. Allerdings, wer wüsste es besser als Carolus bremensis: Politik is anners seggen as don, un Kontrolle is beter. Kiek lewer mal wedder in...