Leitartikel: Schwieriger Heimflug

Frankfurter Rundschau, 25. Januar 1979
Der Ayatollah Ruhollah Khomeiny ist noch nicht im Lande. Seine Rückkehrabsicht hat dennoch die bisher wichtigste Konfrontation in Iran ausgelöst. Die Militärs haben den internationalen Flughafen von Mehrabad bei Teheran nicht besetzt, um die Heimkehr eines alten Mannes, einer eminenten Führerfigur zu verhindern; sie kämpfen um den Restbestand des Schah-Regimes. Wenn Mohammed Reza Pahlevi auch das Land verlassen hat - die Generäle blieben, Ministerpräsident Bakhtiar blieb, das alte Regime lebt noch.

Seit der Kaiser-Flucht ist die Polarisierung stärker, politischer geworden. Es geht nicht mehr um die Figur auf dem Pfauenthron, um formale Demokratisierung, sondern um Inhalte. Die Spitze der Armee, verkörpert durch Generalstabschef Abbas Garabaghi, ist der Vortrupp (oder die Nachhut?) des Herrschaftssystems der privilegierten Familien; sie mag als pro-westlich eingestuft werden, dabei steht der Begriff "Westen" jedoch nur für die gewalttätigen Zuge frühkapitalistischer Entwicklung, die schon im Schah-System ausgebildet waren.

Die Garabaghi-Clique, eine unter mehreren Offiziersgruppen, hat mit westlichen Idealen indes kaum mehr als Schlagworte gemein. Sie ficht nicht für Demokratie, Freiheit, Menschenrechte. Ihr Hintergrund ist nicht aus der Aufklärung oder aus der Französischen Revolution gewachsen. Herkunft, Ausbildung und Karriere verdankt sie einzig dem Schah-Regime und seiner Bereicherungsordnung. Diese Offiziere haben alles zu verlieren, was die bisher herrschende Klasse auch zu verlieren hat: Privilegien und Existenzgrundlage. Deshalb sind sie zu allem bereit.

Es fragt sich, ob die Mannschaften ihnen folgen, ob gar die mittleren Offiziersgruppen bereit sind, diesem ersten Schritt zum Militärputsch weitere folgen zu lassen. Der Soldaten kann sich die Garabaghi-Clique gar nicht mehr sicher sein. Soldaten schießen nicht mehr auf das Volk, eher auf -ie Offiziere, die solche Befehle geben. Verbrüderungsszenen wie die der letzten Wochen verändern das Verhalten der Soldaten nachhaltig. Deswegen kann es sich bald herausstellen, daß ein entscheidender Teil der bewaffneten Macht für das nicht mehr taugt, was nach einem Putsch wohl unausweichlich wäre: den Bürgerkrieg.

Freilich, so weit ist es noch nicht. Es gibt auch noch andere Wege. Es gibt die Ambitionen eines bestimmten Sektors der iranischen Bürgerschicht, mit einer Obristengruppe zusammen für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Sorgfältig versuchen diese Gruppen, Keile zwischen Arbeiter und Intellektuelle, Basaris und Bauern zu treiben; sie nützen die Widersprüche in der Volksbewegung für ihre Sache. Gegen eine "griechische Lösung" (um es deutlich zu sagen: gegen einen iranischen Papadopoulos), hätten sie wenig einzuwenden. Manche Äußerungen aus Amerika lassen erkennen, daß die Berater des US-Präsidenten diese Möglichkeit ernsthaft untersuchen.

Der islamischen Bewegung ist bisher der Zeitfaktor zugute gekommen: Das alte Regime wurde von Tag zu Tag schwächer. Nun, nach ersten Erfolgen, aber ist ein politisches Übergangsprogramm vonnöten, das die Massenbewegung zusammenhält, ihr Richtung und Organisation gibt. Es kommt zur Differenzierung, die in der Bewegung selbst angelegt ist. Deshalb will Khomeiny nun zurückkehren, die Erwartungen nützend, die ihn schon zum zwölften Imam verklären.

Die schiitische Bewegung ist immer politisch gewesen, allerdings auch vieldeutig. Bisher hat das ihre Stärke ausgemacht. Nun geht es um Verbindlichkeit. Da wird Khomeiny möglicherweise zum Führer, der Geschichte macht. Er könnte zum stabilisierenden Faktor werden - Destabilisierung riefe nur die Garabaghis auf den Plan -, und deshalb ist die Frage seiner Rückkehr ein entscheidendes Politikum.