Carolus: So ist es recht

Frankfurter Rundschau, 12. Januar 1998
Wie die Deutschen rechtschreiben (oder Recht schreiben?) sollen, ist Gegenstand der härtesten Klassenkämpfe, die seit der Münchner Räterepublik in den deutschen Landen stattgefunden haben. Und wie es sich bei deutschen Revolutionen immer so fügt, endet auch diese hier mit einem Kompromiß. Richtig ist die von einer zu diesem Zweck erfundenen Kommission eingesetzte Orthographie, aber die andere ist darum noch nicht richtig falsch.

Die Kommission, die recht hat, besteht nämlich gar nicht darauf. Ein altes Quentchen oder das neue Quäntchen - is doch schietegol, sagt Janosch, denn die Orthographie ist eine Tigerente. Dem veränderten Sprachgefühl ist Rechnung zu tragen. Ey, das ist echt cool.

Deutsch ist viel zu kompliziert. Anders als zum Exempel (Eck-Zempel?) das Dänische, das Estnische oder das Mongolische (wobei im letzteren Beispiel zwischen dem äußeren und dem inneren von Fall zu Fall zu entscheiden ist) bereitet es dem In- und vor allem dem Ausländer schier unüberwindliche Schwierigkeiten. Dänisch schreibt man, wie man es spricht, nur die heiße Kartoffel im Mund muß man sich dazudenken. Bei den beiden anderen Idiomen braucht man nicht einmal das zu tun. Deshalb sind sie dazu prädestiniert, Weltsprachen zu sein. Und weil wir gerade bei den Kartoffeln sind: Die Niederländer lösen soeben das Kartoffelnpuffernproblem, während wir die Valentinschen Semmelnknödeln noch immer nicht verdaut haben. Wer soll aber auch wissen, ob dieselben mehrere Semmeln enthalten! (Anmerkung: Obwohl man sie bekanntlich zusummenquetscht, schreibt man nicht Sämmeln).

Was nun die Eindeutigkeit und Unverwechselbarkeit der Schreibweise angeht, so ist dieselbe im Englischen so wenig gegeben, daß sich dieses niemals wird durchsetzen können. George Bernard Shaw (wenn ich nicht irre) hat das so nachgewiesen: Man nehme aus dem Wort enough das gh, aus dem Wort women das o und aus dem Wort nation das ti, man schreibe also glioti, wie man's spricht. Und wie spricht man's? Natürlich fish.

Oder auch: globalisation, auf amerikanisch mit einem z mittendrin. Das ist der neue Sprachgebrauch, dem Rechnung zu tragen ist. Früher sagte und schrieb man: "Die Bourgeoisie hat durch ihre Exploitation des Weltmarkts die Produktion und Konsumtion aller Länder kosmopolitisch gestaltet." Das ist längst überholt; das "Kommunistische Manifest" ist ja schon 150 Jahre alt. Auf den Tag.